Ich habe in meiner Arbeit immer wieder erlebt, wie sehr Lernvideos missverstanden werden: Manche denken, ein Video müsse aufwändig produziert sein, um komplexe Inhalte verständlich zu machen. Andere glauben, kurze Clips könnten nur oberflächliche Informationen liefern. Meine Erfahrung: Mit der richtigen Struktur und ein paar pragmatischen Tricks kannst du selbst in 15 Minuten ein komplexes Konzept so erklären, dass Lernende es wirklich verstehen und anwenden können.
Warum 15 Minuten?
Die Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt, Lernende wollen schnell Nutzen sehen, und als Erklärender willst du präzise bleiben. 15 Minuten sind ein sweet spot: lang genug, um ein Thema in Tiefe zu behandeln, kurz genug, um fokussiert zu bleiben. Außerdem lassen sich solche Videos gut in Lernpläne, Flipped-Classroom-Einheiten oder Social-Media-Formate integrieren.
Die Grundstruktur eines 15‑Minuten-Videos
Ich arbeite mit einer festen, erprobten Struktur. Sie hilft mir, Inhalte zu straffen und gleichzeitig Verständnistiefe zu sichern:
- 0:00–1:00 — Einstieg und Ziel: Sage in einem Satz, worum es geht und was die Lernenden danach können sollen.
- 1:00–3:00 — Motivation & Kontext: Warum ist das Thema wichtig? Ein kurzes Beispiel oder eine Frage schafft Relevanz.
- 3:00–9:00 — Kernkonzept erklären: Schritt-für-Schritt, mit Visualisierungen und einfachen Metaphern.
- 9:00–12:00 — Anwendung / Beispiel: Ein konkretes Beispiel oder eine Übung, die das Konzept sichtbar macht.
- 12:00–14:00 — Zusammenfassung & Transfer: Kernpunkte zusammenfassen und Hinweise geben, wie Learner das Gelernte anwenden können.
- 14:00–15:00 — Call-to-Action: Aufgaben, Ressourcen oder weiterführende Links nennen.
Skript schreiben: Präzise und locker
Ich schreibe immer ein kurzes Skript — kein Wort-für-Wort-Drehbuch, aber genug, um die Zeit einzuhalten und Füllwörter zu vermeiden. Mein Format:
- Einstiegssatz: 1–2 klare Sätze.
- 3–5 Stichpunkte für die wichtigsten Erklärschritte (diese verwende ich als Teleprompter-Hilfe).
- Beispielskript: Ein konkretes Beispiel mit Zahlen oder Szenario.
- Schluss-CTA: Übung oder Link zur Vertiefung.
Praktischer Tipp: Schreibe so, wie du sprichst. Das macht das Video natürlicher und leichter verständlich.
Visuelle Gestaltung: Weniger ist oft mehr
Complex visuals können nützlich sein — aber nur, wenn sie die Erklärung unterstützen. Ich benutze drei visuelle Ebenen:
- Gesicht/Presenter: Für Einleitung, Motivation und Zusammenfassung. Menschen verbinden sich über Gesichter.
- Whiteboard/Skizzen: Für Prozessabläufe oder Formeln. Handgezeichnete Diagramme wirken oft klarer als fertige Folien.
- Slides mit Key-Points: Für Definitionen, Schritte und Zusammenfassungen. Maximal 3–4 Bulletpoints pro Slide.
Werkzeuge: Für einfache Skizzen nutze ich GoodNotes oder ein echtes Whiteboard; für Bildschirmaufnahmen sind OBS Studio oder Loom sehr praktisch; für Slides mag ich Google Slides wegen der schnellen Zusammenarbeit.
Ton und Bild: Technisch pragmatisch
Du brauchst keinen Profi‑Kamera-Set: Ein Smartphone mit guter Kamera reicht oft. Wichtiger ist der Ton. Investiere in ein kleines Lavalier-Mikrofon (z. B. Rode smartLav+) oder ein USB-Kondensatormikrofon wie das Blue Yeti. Achte außerdem auf:
- ruhigen Aufnahmeort ohne Echo,
- gleichmäßige Beleuchtung (Fenster oder günstige Softbox),
- ruhige Kameraposition, idealerweise auf Augenhöhe.
Erklären statt vorlesen: Techniken zur Verständlichkeit
Beim Erklären nutze ich regelmäßig diese Methoden:
- Chunking: Zerlege komplexe Inhalte in kleine, abgeschlossene Häppchen.
- Analogien: Verbinde Neues mit Bekannten — eine gute Metapher schafft sofort Verstehen.
- Prediction Prompts: Stelle Fragen wie „Was denkst du passiert, wenn…?“ — das aktiviert Vorwissen.
- Worked Example: Löse ein Beispiel Schritt-für-Schritt vor den Augen der Zuschauer.
Interaktive Elemente in einem passiven Medium
Auch ein Video kann interaktiv wirken. Ich baue kleine Pausen ein, in denen ich Zuschauer auffordere, kurz selbst zu rechnen oder eine Vorhersage zu treffen. Du kannst auch:
- am Ende eine kurze, einminütige Quizfrage zeigen (z. B. mit H5P eingebettet),
- Arbeitsblätter oder Checklisten als Download anbieten,
- im Video Annotationen setzen oder Zeitstempel in der Beschreibung für wichtige Abschnitte angeben.
Editing: Schnell und effizient
Für 15-Minuten-Videos strebe ich an, dass die Bearbeitung nicht länger dauert als die Aufnahme. Tools wie Descript sind fantastisch: du kannst Text editieren und das Video folgt. Ansonsten sind CapCut (für mobile Bearbeitung) und DaVinci Resolve (kostenloses Profi‑Tool) gute Optionen. Achte beim Editing auf:
- Schnitt auf den Punkt: entferne Füllwörter, lange Pausen und Wiederholungen,
- Einblendungen für Definitionen oder Formeln,
- konsequente Lautstärke und gelegentliche Musik (leise, lizenzfrei),
- Untertitel: viele Lernende profitieren stark davon.
Beispiel-Zeitplan für eine Aufnahme-Session
| Phase | Dauer | Inhalt |
|---|---|---|
| Vorbereitung | 30–45 min | Skript, Slides, Requisiten, Testaufnahme |
| Aufnahme | 20–40 min | Mehrere Takes, Whiteboard-Segmente |
| Editing | 30–90 min | Schnitt, Einblendungen, Untertitel |
| Veröffentlichung | 15–30 min | Upload, Beschreibung, Zeitstempel, Ressourcen verlinken |
Häufige Fehler, die ich vermeide
Aus meinen Erfahrungen heraus rate ich, folgende Fallen zu meiden:
- Zu viel Inhalt in zu kurzer Zeit: lieber ein Thema sauber als drei oberflächlich.
- Unstrukturierte Erklärungen ohne sichtbare Schritte.
- Keine Aufgaben oder Transferhinweise — Wissen bleibt passiv.
- Technik über Inhalt stellen — Inhalt zuerst planen, Technik drittens.
Ressourcen und Tools, die ich empfehle
- Aufnahme: Smartphone + Lavalier (Rode smartLav+),
- Bildschirmaufnahmen: OBS Studio, Loom,
- Schnitt & Transkription: Descript, CapCut, DaVinci Resolve,
- Interaktive Inhalte: H5P, Google Forms,
- Musik & Effekte: Free Music Archive, YouTube Audio Library.
Wenn du möchtest, schicke mir ein Thema (z. B. „Integralrechnung verstehen“ oder „Fotosynthese kurz erklärt“) und ich schreibe dir ein konkretes 15‑Minuten‑Skript inklusive Slides- und Whiteboard-Plan. So kannst du sofort loslegen und ausprobieren, wie viel Klarheit man in diesem Zeitrahmen erzeugen kann.